Im Wartebereich des Frisörs Unterhaltung mit einem zwölfjährigen Jungen, der auf meine ehemalige Kleinstädtchenschule geht und berichtet, dass er für die siebte Klasse eine neue Fremdsprache wählen kann, Französisch zu Englisch habe er sich ausgesucht, doch er wolle in keine Tablet-Klasse. Ich sperre die Ohren auf. Noch nie davon gehört. Tabletklasse, die neue Art des Lernens. Ach, Hilfe, denke ich, es kommt also über uns.
Wie merkwürdig, noch in eine alte, einklassige Dorfschule gegangen zu sein, in deren Mitte der Bollerofen heizte und wo nachmittags die bucklige Tante Berta den Nadelarbeitsunterricht gab. Der Altnazilehrer uns Volkslieder lehrte und mit dem Stafettenstock auf die Handinnenflächen schlug.
Später die Klafki-Didaktiken Prüfungsstoff waren, die Profs lüstern guckten und Hermeneutisches faselten.
Wir seufzklagen herum, oder lachen prustend, Apfelkuchenstückchenbröckchen versprühend.
Später kommt einer ins Frisörgeschäft und ruft: Ich habb de Oba debei, könne mer neikomme?
Er führt einen leicht steifen, fein angezogenen über Neunzigjährigen Herrn herein, setzt ihn behutsam auf einen dicken Sessel vorm Spiegel, redet leise mit dem alten Herrn, ist liebevoll im Umgang mit seinem Vater. Von einer Tabletklasse hätte der auch noch nix gehört.
Aber das ist hier nicht die Frage.
10 Kommentare
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Juli 17, 2019 um 10:02 AM
gkazakou
Gestern sah ich Nachrichten: In Kalamata wurde durch WIND G5 installiert, erste Versuchsanlage Griechenlands. Jubel, stolze Kommentare, „nun wird alles ganz anders“. Kein Wort darüber, WAS denn nun anders wird. Tabletklassen wird es dann wohl sehr bald geben, und selbstfahrende Busse, die Hotels werden ihren Besuchern ein noch schnelleres Internet bieten können. Und wir alle werden mikrowellen-geröstet. Hurra, es lebe der Fortschritt!
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Juli 18, 2019 um 10:12 AM
wildgans
…und wir müssen kein bisschen mithalten, wie erfreulich!
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Juli 17, 2019 um 10:08 AM
puzzleblume
„Tablet-Klasse“ – nicht das Schlechteste für Kinder, die dadurch lernen, mit digitalen Medien nicht nur Allotria zu treiben, und speziell für Dyslektiker, die sich endlich zum Lesen ihren persönlichen Kontrast- und Schriftmodus einstellen könnten, serifenfrei und ihren persönlichen Wahrnehmungsweisen angepasst, statt sich mit schlechte Fotokopien und allzu verspielt „gutgemeinten“ Papierseiten herumzuplagen.
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Juli 18, 2019 um 10:13 AM
wildgans
Aha, von dieser Seite aus kann man es durchaus auch sehen. Danke für den anderen Blickwinkel!
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Juli 17, 2019 um 1:12 PM
piri ulbrich
Tablets in der Schule finde ich gut. Sie sollten den Unterricht unterstützen und nicht übernehmen, dann sind solche Hilfsmittel sinnvoll eingesetzt.
Tablets sind, gerade für Menschen mit Handicap ein Segen, denn wie puzzleblume schreibt, jeder kann sich sein Gerät so einrichten, dass es gut für ihn ist. Meine Junioren haben auch jeweils ein Tablet und ich dachte erst, sie könnten damit nicht umgehen. Weit gefehlt – es (das Tablet) hat ihren Horizont erweitert, sie sind sogar im Internet unterwegs – dank Sprachsteuerung und wenn es damals, als sie in die Schule gingen, schon so etwas gegeben hätte, beide hätten viel mehr Möglichkeiten gehabt.
Hätte, hätte Fahrradkette …
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Juli 18, 2019 um 10:13 AM
wildgans
Also durchaus positiv!
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Juli 17, 2019 um 1:49 PM
Hedwig Mundorf
Wenn ich sehe, was meine Enkel täglich zur Schule schleppen und welchen Wust sie täglich an kopierten Arbeitsblättern mitbringen, sehe Tabletts in der Schule schon als zukunftsweisend an, allerdings sehe ich schwarz, wenn ich da an so manche Lehrer denke….. 😰 anstelle von Tabletts würde ich jedem Kind zwei Sätze Lehrbücher gönnen. Einen für zu Hause und einen für die Schule, und Tafelbilder, die ja mit modernen Mitteln an die Wand gezaubert werden können….
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Juli 18, 2019 um 10:14 AM
wildgans
Das ergibt neue Punkte auf den Elternabendthemenlisten!
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Juli 17, 2019 um 4:19 PM
theomix
Hatte letztes Jahr an einer Tabletschule unterrichtet. Ein Buch aufschlagen ging aber noch. Habe ich dann einseitig bevorzugt und irgendwann die Technik links liegen lassen.
Genau so wie schreiben lernen mit Füller bevorzuge ich Bücher lesen mit mit Papier. Tablet beherrschen sollte dann darauf aufbauen.
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Juli 18, 2019 um 10:16 AM
wildgans
Da sagt Herr Theomix deutlich was! Cool: Ein Buch aufschlagen …
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