Diese Nachbarn oder Vermieter, als ich ein kleines Kind war. Mir noch heftig im Kopf die Schreierei auf der alten Holztreppe. Bohnerwachsgeruch, Stöckelschuhe, Wirrhaare, Carmenblüschen mit fast rausspringenden Brüsten, zwei kämpfende Weiber, sehnlichst Treppenstürze herbeiwünschend. Ob der schnaufende Wienerinnengatte mit den Glubschaugen plötzlich die Szene beherrschte oder meine brave Mama sich zurückzog, auch um was es ging – kann ich nur vermuten. Man erzählte sich, dass die feurige Österreicherin bei gesamthäuslichen Feiereien sich meist unter den Tischen aufhielt zwecks hohem Interesse an gewissen männlichen Kratzhaarbeinteilen, weiter oben. Die übrigen Damen waren trunken von Trinksprüchen und witzigen Einlagen oder lagen gar mit Herren auf Wintermänteln im Nebenzimmer.
Kein gutes Zeichen, dass solche Altszenen mir ins Gedächtnis springen. Das kann man doch bei keinem Seniorennachmittag erzählen!
Und dass ich nicht mehr weiß, wo ich vor ein paar Minuten meine Brille hingelegt habe.
Oder dass bei einem Telefonat mit der Freundin merkwürdige Brummtöne im Zimmer schwirren, die unerklärlich sind, verfolgungsabhörträchtig. Ach, und ich war nur versehentlich ans Blutdruckmessgerät gekommen!
Richtig wild werden auf das Auftauchen geheimnisvoller, wüstwilder Erinnerungen, das wäre auch `ne Möglichkeit. Nur nicht aus dem Fenster springen vor Schreck. Keine Option.
Nachdenken über die Wienerin unter den Tischen, dieses Nyphomanhuhn, diese Männeraufstachlerin. Mindestens ein Trauma im Hintergrund. Beim Sigmund in der Analysegasse war sie wohl nicht, wer weiß, wo sonst…
8 Kommentare
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November 17, 2016 um 7:26 PM
Herr Ärmel
Erinnerungsdeckelhebungen angesichts Ihrer Erinnerungen.
An diese kleinbürgerlichen Schmuddelorgien nach Feuerwehrfesten, Kirchweihen und anderen Überflüssigveranstaltungen kann ich mich auch noch erinnern. Meine Eltern hatten eine semiprofessionelle Bar und sehr gastfreundliche Herzen. Das Zimmer vom Kleinärmel lag genau über der Bar und dem Wohnzimmer. Vom fröhlichen Nachtlärm erwacht und aus dem Bett, hinaus stand ich auf dem oberen Podest im Treppenhaus. Wenige Stufen unter mir die fremdgrapschenden Lustbolzen und ihre bereitwilligen Kichermiezen. Feuchtgebiete der unschönen Art sind meine Erfindung dazu. Das schmatzende Geknutsche und die Stoffknittergeräusche habe ich selbst gehört, samt merkwürdigem Geflüster, das ich zwar phonetisch nicht jedoch inhaltlich verstanden habe. Aufregend einerseits, beruhigend andererseits. Zwischen lästig und erregend für einen zehnjährigen Knaben hingegen die bei derlei Festen regelmässig stattfindenden Damenbesuche am Bett des Kindes. Mit der scheinheiliggeilen Ausrede,sich nach seinem Wohlergehen zu erkundigen. Das hätte so körpernah nun wirklich nicht sein müssen.
Von wegen den bösen Onkeln an den Mädchen. Die schmierigen Tanten sind mir noch immer bis ins Detail erinnerlich. Und ich kenne andere Männer mit ebensolchen kindheitlichen Erfahrungen.
Abendgruss aus einem blumigen Ambiente
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November 17, 2016 um 10:43 PM
Myriade
Viel Freude im blumigen ambiente und mögen sich die schmierigen Tanten aus Ihrer Kindheit verflüchtigen
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November 18, 2016 um 10:26 AM
Herr Ärmel
Oh, vielen Dank. Einige der Damen leben noch und manchen begegne ich hin&wieder. Schnee von gestern, der nicht auf mir lastet…
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November 17, 2016 um 11:58 PM
wildgans
Der längste Kommentar überhaupt. Hier. Dankeschön.
So, auch an Ihnen hat sich jemand zu schaffen gemacht, auch Sie haben klein-bis großbürgerliche Saufparties mitgekriegt. Ich finde, wir haben es gut überlebt und lassen Erinnerungen daran nicht allzu frech oder bestimmend auftreten, können heftig lebendig frank und frei leben, jedenfalls meistens. Wie gut. Neugierig wäre ich jedoch noch immer, wie anders mein Leben hätte verlaufen können, ohne diese Dumpfweltattacken. Vermutlich noch etwas frank und freier – kaum auszudenken!
Gruß in die floralen Gefilde
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November 18, 2016 um 10:28 AM
Herr Ärmel
Mich würde – allerdings nur in allerseltensten Fällen – interessieren, inwieweit diese kleinbürgerhalbweltlichen Frauen meine Einstellung zu Frauen geprägt hat. Oder ob überhaupt. Muss ja nicht alles immer zum Schlechten sich ausbilden~~~~
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November 17, 2016 um 10:41 PM
Myriade
HAHAHA, liebe Sonja, herrlich, das Blutdruckmessgerät als surrende Spionagedrohne und Geschichten von der nymphomanischen Nachbarin unter dem Tisch …. Seniorenabende mit dir würde ich auch zum Vergnügen besuchen.
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November 18, 2016 um 12:00 AM
wildgans
Oh, ich habe jemanden zum Lachen gebracht mit meinen kleinen gemeinen oder nichtsurrealen Geschichten. Das gefällt mir gut! Im Übrigen besuche ich niemals Veranstaltungen mit Altennachmittag drin…
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November 19, 2016 um 7:53 PM
Myriade
Ich hätte auch nicht vermutet, dass du tatsächlich zu solchen Veranstaltungen gehst !
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